Frequently Asked Questions

Long Covid: Weiteres Ringen um soziale und medizinische Hilfe – Teil 1

Sendetermin 27.01.2022 16:00 bis 16:30
K P de en
Nachrichten/Info

In den nächsten beiden Ausgaben senden wir ein in zwei Teile geteiltes Gespräch über die aktuellen Herausforderungen, Hürden und Entwicklungen in der Versorgung von Long Covid Patientinnen und Patienten. Als Interviewpartnerin stand uns erneut Maarte Preller zur Verfügung, Gründerin der ersten Selbsthilfegruppe für Long Covid Betroffene. Dies ist Teil 1 des einstündigen Gesprächs (Teil 2 finden Sie hier).

Nach fast einem Jahr möchten wir von Maarte Preller wissen, wie es ihr und der Betroffeneninitiative seit dem letzten Gespräch mit Frequently Asked Questions (hier nachhören) kurz nach der Gründung der Selbsthilfegruppe ergangen ist. Die Gruppe ist mittlerweile auf ca. 1500 Mitglieder angewachsen, die Dunkelziffer an real Betroffenen schätzt Preller um ein Vielfaches höher, ihre Zahl werde aber laut ihr nicht einheitlich vom Gesundheitssystem erfasst.

Mittlerweile ist Long Covid Austria nicht mehr nur Selbsthilfegruppe, sondern tritt als Patient*innenorganisation mit Vereinsstruktur auf und sucht als solche auch die Zusammenarbeit mit diversen Akteur*innen im Gesundheitssystem, um die Entwicklung der lückenhaften Versorgung voranzutreiben. Alle im Verein Tätigen sind jedoch selbst schwer krank und engagieren sich mit ihren knappen Ressourcen, die nicht nur gesundheitlicher Natur sind, sondern auch sozialversicherungstechnischer. Viele haben keine soziale Absicherung mehr oder kämpfen gerade um ihre Erhaltung.

„Mediziner*innen nicht vorbereitet auf die Komplexität der Erkrankung“

Nach wie vor berichtet Preller vom Fehlen von einheitlichen und effizienten medizinischen Anlaufstellen. Viele Mediziner*innen seien nicht vorbereitet auf die Komplexität der Erkrankung: Sie berichtet von Patient*innen, die selbst bei den offiziellen Long Covid Ambulanzen zu hören kriegen, dass sie zu negativ denken würden, und mit dem Rat nach Hause geschickt werden, sich nicht zu sehr mit der Krankheit zu beschäftigen, dann würde sie von selbst besser werden. Zwar gebe es mittlerweile immer mehr auf körperliche Untersuchung ausgerichtete Forschung, dennoch sind solche Erzählungen in der Long Covid Selbsthilfegruppe kein Einzelfall. Preller selbst erzählt im Interview von mehreren Situationen, in denen sie Ärzt*innen medizinisch aufklären musste, und von den Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, wenn diese Rollen umgedreht werden und es zu mehr Konflikten als Hilfe im Arzt-Patienten-Gespräch kommt.

„Wir schießen hier das Geld in die Luft“

Sagt Preller über das uneinheitliche Vorgehen in der Diagnostik. Sie selbst habe schon vielfach doppelt oder dreifach die gleichen Untersuchungen absolviert und ist verwundert, dass diese Ressourcen so leichtfertig verschwendet werden. Auch zeigt sie sich einigermaßen resigniert darüber, dass sich die Regierung Rat von Expert*innen holt, die wenig Erfahrung mit dem Krankheitsbild hätten, und zu wenig auf den Erfahrungsschatz der Long Covid Selbsthilfegruppe zurückgegriffen wird, trotz mehrmaligen Angeboten.

Bezüglich der Heilungschancen decken sich aktuell ihre Beobachtungen von einem Großteil der Patient*innen aus der Betroffeneninitiative nicht mit den Prognosen der Mediziner*innen und Gutachter*innen, dass sich der Körper nach einigen Monaten von den Long Covid Symptomen erholt. Problematisch sieht sie auch, dass die Patient*innen zu falschen Reha-Programme überwiesen werden. Sie berichtet von Fällen, in denen die Reha so unpassend war, dass Patient*innen für lange Zeit sogar eine Verschlechterung der Symptome erleiden mussten. Nichtsdestotrotz sei es aber erfreulich, dass es mittlerweile vermehrt Plätze in Reha-Programmen gibt. Sie erhofft sich dennoch mehr direkte Zusammenarbeit mit der Betroffeneninitiative, damit das Angebot nicht an den Bedürfnissen der Betroffenen vorbeigeht.

Das Gespräch führte Sarah Kieweg.

Hier finden Sie Informationen und Kontakt zur Long Covid Selbsthilfegruppe und Patient*innen-Organisation.

Information zur Sendereihe

Frequently Asked Questions
Das Corona-Update aus dem Freien Radio

 

Seit dem 16. März 2020 – dem ersten Tag des ersten Lockdowns – begleiten wir mit dieser Sendereihe durch den neuen und gesamtgesellschaftlich herausfordernden Alltag. Die Sendefrequenz hat sich mittlerweile von anfangs fünf Mal auf zwei Mal die Woche reduziert. Unsere Redaktion gestaltet dieses halbstündige Gesprächs-Format auf Deutsch und Englisch zu Themen rund um die vielseitigen gesellschaftlichen Auswirkungen der Pandemie. Jede:r ist individuell davon betroffen – ob auf persönlicher oder beruflicher Ebene – das zeigt sich in der breiten Palette unserer Gesprächspartner:innen. Wir befragen unterschiedlichste Akteur:innen, angefangen von Medien-, Kunst- und Kulturschaffenden, über Menschen in Gesundheits- und Sozialberufen, bis hin zu sozial- und politikwissenschaftlichen Expert:innen und Autor:innen dazu, wie es ihnen in dieser Krise geht, welche Maßnahmen sie im Umgang damit entwickelt haben, welche Prognosen sie haben und welche Forderungen sie an Entscheidungsträger:innen stellen.

Als Medium der Gegenöffentlichkeit geben wir aber auch zivilgesellschaftlichen Vertreter:innen aller Altersstufen im In- und Ausland eine Stimme und lassen sie erzählen, welche Ängste, Sorgen, Hoffnungen und Wünsche sie gerade umtreiben. Wir wollen gegen Fake-News und Verschwörungsmythen rund um Covid-19, aber auch gegen autoritäre Tendenzen und Panik antreten. Die Sendereihe versteht sich nicht zuletzt auch als ein Archiv der Auswirkungen dieser Pandemie für die Zukunft. Im Programm finden sich neben eigens produzierten Gesprächen fallweise auch Übernahmen anderer Freier Radios zum Thema Covid-19. Die Sendereihe entstand zunächst in Kooperation mit KIT Land Steiermark (Krisenintervention und Interkonfessionelle Akutbetreuung), mittlerweile besteht diese Kooperation nicht mehr. Eine besondere Ehrung wurde der Redaktion mit der Verleihung des Alternativen Medienpreises 2021 zuteil.


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