Kein Kommentar
Im Dschungel der westlichen Werte und der Propaganda (2)
Sendetermin 12.08.2022 16:30 bis 17:00
Der Konflikt des Ex-Botschafters mit seinem „Gastland“ speiste sich aus einer schlecht zu kaschierenden Diskrepanz, zwischen einerseits der moralischen „Überhöhung“, wie das hier ausgedrückt wird – und andererseits der keineswegs bedingungslosen und zu allem entschlossenen Unterstützung der Ukraine. Was die Waffenlieferungen betrifft, „verlangt“ Selenskyj quasi jeden Tag aufs neue irgendetwas, und beklagt sich über die aus seiner Sicht unzulänglichen Resultate – was seinen Ex-Botschafter zunehmend in Rage versetzte, und ihn dann die deutsche Hand beißen ließ, die die Ukraine füttert. Die Forderung nach einer „Flugverbotszone“ für russische Kampfflieger wurde ebenso abgelehnt wie der unmittelbare Einsatz von NATO-Truppen, zumindest von solchen, die über „Ausbildner“ hinausgehen.
Der Westen besteht darauf, einen Stellvertreterkrieg zu führen, indem die Ukraine durch Waffenlieferungen und logistische Unterstützung ebenso aufmunitioniert wie gebremst wird. Momentan sieht es danach aus, als ob die Verwicklung Russlands in einen Dauer- und Abnützungskrieg als sehr achtbares Zwischenergebnis geschätzt wird, mit allen ökonomischen und menschlichen Unkosten für Russland und die Ukraine; wobei der Wirtschaftskrieg ohnehin erst angelaufen ist, wobei die Aufrüstung der NATO in Osteuropa mit viel Elan vorangetrieben wird, und man sich ohnehin jede Eskalation vorbehält. Pointiert formuliert: Interessant an der Ukraine – aus NATO-Sicht – ist weniger die Ukraine, sondern mehr der Schaden, der Russland über die Ukraine zugefügt werden kann. Es erinnert ein wenig an Afghanistan vor 40 Jahren und an die Unterstützung der dortigen islamischen Terroristen, die dafür auch als „Freiheitskämpfer“ etikettiert wurden – allerdings ist die heutige Lage wesentlich explosiver, weil Russland heute ganz anders mit dem Rücken zur Wand steht, als die damalige Sowjetunion. (Vergleich Ende.)
Deswegen stellt sich für die westlichen Lieferanten und Paten der Ukraine das Problem der Kontrolle des Kriegsgeschehens. Es muss, behaupte ich mal ohne Kenntnis der Intrigen innerhalb der ukrainischen Führung, die den Präsidenten zu seinen Entlassungen und Säuberungen treiben, dort den Standpunkt geben, dass nur durch ständige Eskalationen und Provokationen Russlands die Ukraine doch noch zu retten ist – indem also versucht wird, die NATO als direkte Kriegspartei in den Krieg hineinzuziehen, und den Krieg vom Stellvertreterkrieg hinauf zur direkten Konfrontation zu heben – auf eine ganz andere Ebene, schon ziemlich in der Nähe des letzten Gefechts. So wie es ja die ukrainische Militärdoktrin als gültiges Szenario entwickelt hat: Die „internationale Gemeinschaft“, auf deutsch – die NATO – erscheint wie die US-Kavallerie im Western und gewinnt den Krieg, stellvertretend für die Ukraine. (Ob in dem Fall von der Ukraine viel übrig bleibt, ist wieder eine andere Frage.)
In der Kritik am früheren Beitrag „Selnskyjs Welt“, die ich mal zitiert habe, wurde auch die Behauptung moniert, dass „die Ukraine benutzt wird und sich benutzen lässt“ – auch diesfalls ohne jeden Anschein eines Arguments oder einer Widerlegung. Nun, die bisherigen Ereignisse geben durchaus beredt darüber Auskunft, wer da wen benutzt, wer da wen kämpfen lässt, bis zum letzten Ukrainer, und den Krieg sorgsam dosiert am Laufen hält. Es ist hier halt doch eine Interessengemeinschaft, eine sehr asymmetrische Interessengemeinschaft am Werk, die sich gern als Wertegemeinschaft überhöht. Russland hat die Osterweiterung der NATO und der EU gestoppt, das ist Putins Verbrechen. Gestoppt übrigens schon 2014, durch die Annexion der Krim und die Unterstützung der Separatisten im Donbass; die damalige Lage wurde durch die Minsker Abkommen kurz eingefroren. Übrigens ist auch „Minsk“ ein völkerrechtliches Abkommen, das von der Ukraine, Deutschland und Frankreich gebrochen wurde – was unaufgeregt und im Nachhinein von den Beteiligten als „Fehler“ abgetan wird bzw. als berechtigte List der Ukraine, um Zeit zur Aufrüstung zu gewinnen. Die ÖMZ (Österreichische Militärische Zeitschrift) notiert dazu lapidar: „Das ukrainische Militär ist seit einigen Jahren modernisiert worden. Die Fähigkeiten, das gefährlichste Szenario zu bewältigen, waren jedoch bei Weitem nicht vorhanden. Dazu kam der russische Angriff um Jahre zu früh, vielleicht auch ein Grund, warum Präsident Putin genau jetzt so massiv angriff.“ (ÖMZ 4/22 S. 411) Das kommt der ÖMZ also schon plausibel vor, ein russischer Angriff, solange der konventionelle Krieg überhaupt noch als Mittel der Politik kalkulierbar ist!
Das Interesse des Westens an der Ukraine als einem Schlachtfeld, in dem sich Russland verheddert, ist ziemlich transparent. Und das Interesse der Ukraine? Nun, die Ukraine ist noch immer oder schon wieder mit ihrer Staatsgründung beschäftigt. Ökonomisch dezimiert, durch die Abtrennung vom früher gemeinsamen Wirtschaftsraum der UdSSR, dann durch die Privatisierungen und die Umstellung auf die Profit-Produktion geschädigt, weiter durch die Unterwerfung unter die Direktiven der EU und die überlegene Konkurrenz der westlichen Unternehmen – so wurde aus dem früheren Stolz der sowjetischen Industrie ein Agrar-Exportland und ein Auswanderungsland, das die eigene Bevölkerung nicht ordentlich als Arbeitskraft einspannen und dadurch verköstigen kann. Kommt dazu die durch eben diese Privatisierung bewirkte Fragmentierung der politischen Macht in Gestalt der Oligarchen, die am Rechtsstaat vorbei oder gleich durch die Steuerung der Gesetzgebung ihre jeweiligen Sonderinteressen zur Geltung bringen. Obendrein die politische Fragmentierung durch Bevölkerungsteile, die sich im Osten und Westen anderen Staaten verbunden fühlen. Das alles unter einem offiziell zahlungsunfähigen Gewaltmonopol, das seit der Staatspleite 2008 zum ständigen Betteln gegenüber dem IWF genötigt ist. Kommt dazu, seit 2014, die Abtrennung der Krim und der Separatistengebiete und das Wirken der nationalistischen, rechtsradikalen von Oligarchen finanzierten Milizen, die auf eigene Faust und ohne viel Rücksicht auf die Berechnungen in Kiew ihren „privaten“ Kleinkrieg und ihre Terroranschläge gegen die Separatisten im Osten voranbringen. Durch die Anbindung an den Westen, an EU und NATO, hat sich ukrainische Politik eine Art Entwicklungshilfe erhofft, was bis neulich nicht wirklich funktioniert hat. Allerdings: Seit die Ukraine ein Schlachtfeld ist, ist sie im Westen kreditwürdiger denn je. Das schließt Differenzen nicht aus:
„Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die verzögerte Auszahlung von EU-Finanzhilfen in Milliardenhöhe für sein Land beklagt. Diese „künstliche Verzögerung“ sei entweder ein Verbrechen oder ein Fehler, sagte der Staatschef in seiner abendlichen Videoansprache. Jeden Tag erinnere er EU-Politiker daran, dass ukrainische Rentner, Flüchtlinge, Lehrer und andere nicht zu Geiseln von „Unentschlossenheit oder Bürokratie“ werden dürften. … Zwei Tage zuvor hatte der Vizechef des ukrainischen Präsidialamtes, Ihor Schowkwa, Deutschland für die schleppende Auszahlung verantwortlich gemacht. Von neun Milliarden Makrofinanzhilfe der EU sei erst eine Milliarde ausgezahlt worden. … Nach Angaben der EU-Kommission sind für die ausstehende Summe möglicherweise Garantien von Mitgliedsstaaten nötig, weil eine Absicherung über den EU-Haushalt nicht möglich ist.“ (dpa-AFX, 4.8.2022)
Das ist offenbar der Deal: Kriegsschauplatz Ukraine in einem Stellvertreterkrieg – dafür gibt es auch Kredit. Wo der dann landet – Rentner und Lehrer werden erwähnt – ist eine andere Frage.
Information zur Sendereihe
Eine Sendung von Herbert Auinger, übernommen von Orange 94.0 (Wien).
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„Statt unnütze Systeme für das Glück der Völker aufzustellen, will ich mich darauf beschränken, die Gründe ihres Unglücks zu untersuchen.“ (Giammaria Ortes, zit. nach Karl Marx, Das Kapital)
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„Das Produkt der Arbeit wird heutzutag verteilt im umgekehrten Verhältnis zur Arbeit – der größte Teil an die, die niemals arbeiten, der nächstgrößte an die, deren Arbeit fast nur nominell ist, und so, auf absteigender Skala, schrumpft die Belohnung zusammen, im Maße wie die Arbeit härter und unangenehmer wird, bis die ermüdendste und erschöpfendste körperliche Arbeit nicht mit Sicherheit auch nur auf Gewinnung der Lebensbedürfnisse rechnen kann.“ (John Stuart Mill, zit. nach Karl Marx, Das Kapital)
„Das einzige Ding, das den arbeitenden Mann fleißig machen kann, ist ein mäßiger Arbeitslohn. … Aus dem bisher Entwickelten folgt, daß in einer freien Nation, wo Sklaven nicht erlaubt sind, der sicherste Reichtum aus einer Menge arbeitsamer Armen besteht.“ (Bernard de Mandeville, zit. nach Karl Marx, Das Kapital)
„Die kapitalistische Produktion entwickelt daher nur die Technik und Kombination des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, indem sie zugleich die Springquellen alles Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter.“ (Karl Marx, Das Kapital)
„So sehen wir also, daß der Krieg nicht bloß ein politischer Akt, sondern ein wahres politisches Instrument ist, eine Fortsetzung des politischen Verkehrs, ein Durchführen desselben mit anderen Mitteln. Was dem Kriege nun noch eigentümlich bleibt, bezieht sich bloß auf die eigentümliche Natur seiner Mittel.“ (Carl von Clausewitz, Vom Kriege)
„Der Krieg ist der Vater aller Dinge und der König aller. Die einen macht er zu Göttern, die andern zu Menschen, die einen zu Sklaven, die andern zu Freien.“ (Heraklit)