Die Neue Stadt
Krieg und militärische Bedrohung: Gibt es friedliche Lösungen?
Sendetermin 06.12.2024 19:00 bis 20:00Angesichts des Symposiums (Inhalt siehe unten) der Grazer Initiative für Frieden und Neutralität ist mein heutiger Gesprächspartner erneut Christian Stenner.
Symposium „Krieg und militärische Bedrohung: Gibt es friedliche Lösungen?“
Dienstag, 10. Dezember 2024 ab 18:00 Uhr im Festsaal der Arbeiterkammer in der Hans-Resel-Gasse 8–14, 8020 Graz
Die einleitenden Referate halten Univ.-Prof. Dr. August Pradetto, Gerald Karner, Mag.a Stephanie Fenkart MA und Mag. Dr. Thomas Roithner, danach folgt eine von Mag.a Renata Schmidtkunz moderierte Podiums- und Publikumsdiskussion.
Biografien und Kurzstatements der ReferentInnen:
Univ.-Prof. Dr. August Pradetto:
„Aktuelle militärische Bedrohungsszenarien“
Bedrohungsanalysen und Sicherheitsstrategien vieler europäischer Länder kommen zu dem Schluss, man müsse bereits in fünf bis sieben Jahren mit einem größeren militärischen Konflikt auf dem Kontinent rechnen. Die Konsequenz besteht in einer Strategie, deren Kernelemente sicherheitspolitisch-militärischer Schulterschluss, Abgrenzung, Sanktionen und Aufrüstung darstellen. Die Vorbereitungen auf einen großen Krieg laufen seit dem russischen Überfall auf die Ukraine auf Hochtouren. Stimmt die Analyse? Mit welchen Akteuren haben wir es zu tun? Welche Folgen zeitigt die Transformation in ein neues Raketenzeitalter?
August Pradetto ist emeritierter Professor für Politikwissenschaft mit dem Fokus auf internationale Beziehungen an der Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr Hamburg, Institut für Internationale Politik.
Gerald Karner: Sicherheitspolitik und militärische Aspekte der österreichischen Sicherheitsstrategie
Ein ganzheitlicher Ansatz von Sicherheitspolitik ist nur unter Einschluss einer ernstzunehmenden Verteidigungspolitik denkbar. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine hat die Entwicklung einer neuen österreichischen Sicherheitsstrategie auch in diesem Politikfeld die Rückkehr des Krieges Staat gegen Staat als potenzielle Bedrohung zu berücksichtigen. Dies stellt besonders für ein Land im Spannungsfeld von europäischer Solidarität und Neutralität eine besondere Herausforderung dar.
Gerald Karner ist Militärexperte und Berater.
Mag.a Stephanie Fenkart MA: Österreichische Sicherheitsstrategie – nicht-militärische Strategien wie Friedensvermittlung und aktive Neutralität
Seit dem Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine ist das sicherheitspolitische Gefüge in Europa stark erschüttert. Die Annahme, dass es auf europäischem Boden zu keinen konventionellen Kriegen mehr kommen wird, hat sich als falsch erwiesen. Die Rückkehr von Geopolitik bedeutet für Österreich und Europa, dass das Thema Sicherheit erneut Relevanz erlangt. Doch Sicherheit ist viel mehr als Verteidigung. Dazu gehören der Schutz der Menschenrechte, die Einhaltung des Völkerrechts, aber auch die Förderung von Demokratie und Frieden. Insbesondere angesichts der globalen Entwicklungen muss sich auch das neutrale Österreich mit diesen Themen beschäftigen. Welchen glaubwürdigen Beitrag kann Österreich angesichts der vielen Kriege und Krisen leisten?
Stephanie Fenkart ist Direktorin des International Institute for Peace, Wien.
Mag. Dr. Thomas Roithner: Nicht militärische Lösungen für aktuelle Bedrohungsszenarien – die österreichische Friedensstrategie
2.443.000.000.000 US-Dollar wurden 2023 global für Militär ausgegeben. Während manche Frieden und Sicherheit durch Aufrüstung und Abschreckung erreichen wollen, werden Stimmen immer lauter, Sicherheit neu zu denken. Was können wir aus dem 2021 in Kraft getretenen Atomwaffenverbotsvertrag lernen? Für das vielzitierte Brückenbauen und Vermitteln braucht es aber mehr Diplomatie, mehr zivile Instrumente, Vertrauen und eine starke Zivilgesellschaft. Doch zivile Krisenprävention und Konfliktbearbeitung helfen nicht genug, wenn globale Wirtschaftsbeziehungen soziale Spaltung und Ungleichheit verstärken. Und am Ende zeigt sich: auch auf den Klimawandel kannst du nicht schießen.
Thomas Roithner ist Friedensforscher, Privatdozent für Politikwissenschaft an der Universität Wien und Mitarbeiter im Internationalen Versöhnungsbund, wo er zu Aspekten aktiver Friedenspolitik und Einführung eines Zivilen Friedensdienstes arbeitet.
Moderation: Mag.a Renata Schmidtkunz
Mag.a Renata Schmidtkunz ist Moderatorin, Redakteurin und Filmemacherin. Studium der Evangelischen Theologie in Wien und Montpellier / Frankreich. Seit Januar 1990 arbeitet Renata Schmidtkunz als Moderatorin, Redakteurin und Regisseurin beim ORF, seit 2013 ist sie Leiterin der Sendung „Im Gespräch“.
Das Symposium wird unterstützt von:
Stadt Graz; Afro-Asiatisches Institut Graz, Alternative, Grüne und Unabhängige GewerkschafterInnen, ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus, ATTAC, Bildungsverein der KPÖ Steiermark, CLIO, Evangelisches Bildungswerk Steiermark, Friedensbüro Graz, Grazer Frauenrat, Grüne Akademie Steiermark, Grüne und Alternative Studierende, Die Grünen – Generation plus Stmk., Die Grünen Steiermark, Internationaler Versöhnungsbund, inspire, ISOP, Katholische Arbeitnehmer:innenbewegung Steiermark, KPÖ Graz, Kommunistische Jugend, Kommunistischer Studierendenverband, KZ-Verband, Liga für Menschenrechte, Migrant:innenbeirat, ÖH Uni Graz, Omas gegen Rechts, PAX Christi, Radio Helsinki, ROTOR, Sozialistische Jugend Graz, Steirische Gesellschaft für Kulturpolitik, Südwind, Verein für Gedenkkultur in Graz, Women*s Action Forum, Xenos, Zukunft braucht Erinnerung.
Symposium „Krieg und militärische Bedrohung: Gibt es friedliche Lösungen?“
Aus der Hoffnung auf ein friedliches Zeitalter, das nach dem Ende des Kalten Krieges und der Auflösung des Warschauer Paktes durchaus realistisch schien, ist nichts geworden.
Neue Polaritäten haben sich herausgebildet, das transatlantische Militärbündnis NATO ist höchst aktiv geblieben, hat weitere Mitglieder aufgenommen und treibt seine Aufrüstung voran; im Windschatten der NATO setzt auch die als Friedensprojekt gegründete EU zunehmend auf militärische Stärke.
Die USA haben mit dem völkerrechtswidrigen Angriff auf den Irak 2003 an die Vergangenheit kolonialer Kriege angeknüpft. Russland hat 2014 ebenso völkerrechtswidrig die Krim besetzt und ist 2022 in die Ukraine einmarschiert. China begleitet seinen ökonomischen Aufstieg mit Aufrüstung und militärischem Dominanzgebaren gegenüber Taiwan und im gesamten südpazifischen Raum.
Im Nahen Osten dauern die israelischen Angriffe im Gazastreifen in der Folge des von der Hamas im Oktober 2023 verübten Massakers weiterhin an, der Krieg hat sich nun mit unabsehbaren Folgen für die Region ausgeweitet. Weitere militärische Auseinandersetzungen wie im Sudan, in Syrien, im Jemen, im Kongo, in Myanmar und anderen Staaten und Regionen bleiben in Europa weitgehend unbemerkt. Laut einer heuer veröffentlichten Stellungnahme des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz gibt es derzeit 120 solcher Konflikte, vor 25 Jahren waren es nur 20.
Eine Bedrohung für die gesamte Menschheit
Für die Betroffenen bringen diese Kriege unsägliches Leid, für die gesamte Menschheit stellen sie wegen der immer möglichen Eskalation und des dann wahrscheinlichen Einsatzes von atomaren Waffen eine permanente Bedrohung dar. Durch die Kriegsführung selbst, aber auch durch den notwendigen Wiederaufbau entstehen Treibhausgasemissionen gewaltigen Ausmaßes, die den Klimawandel weiter beschleunigen, ohne in den Klimabilanzen der Staaten aufzuscheinen – das Militär ist vom Klima-Reporting ausgenommen.
Dennoch wird Gewalt als Ultima Ratio zur Durchsetzung wirtschaftlicher und machtpolitischer Interessen wieder als geradezu schicksalshaft hingenommen; dem existenziellen Wunsch nach Sicherheit, so lautet die derzeit wieder mehrheitlich akzeptierte Argumentation, könne im Wesentlichen nur mit militärischen und letztendlich kriegerischen Mitteln entsprochen werden.
Zur Kriegslogik gibt es Alternativen
Doch diese Kriegslogik ist weder unabwendbar noch entspricht sie (zum Glück) über weite Strecken der Realität internationaler Beziehungen. Unterschiedliche Vertragswerke, die auf Kompromisse abzielenden Mittel der Diplomatie, das Instrument der Neutralität in seinen verschiedenen Ausprägungen, die Tätigkeit internationaler Organisationen wie der UNO … überall finden sich Ansätze, die bereits in der Vergangenheit Kriege verhindert oder zumindest beendet haben und nun dringend aktiviert werden müssen, wobei zivilgesellschaftliches Engagement in Form von Friedensbewegung und Kriegsdienstverweigerung wieder eine wichtige Rolle spielen werden.
Das Symposium „Krieg und militärische Bedrohung: Gibt es friedliche Lösungen?“ soll einen Rahmen bieten, in dem unter Beteiligung international anerkannter Expertinnen und Experten aktuelle Bedrohungsszenarien auf ihren realen Gehalt überprüft und bestehende Alternativen zu den militärischen Lösungen vorgestellt und zur Diskussion gestellt werden.
Information zur Sendereihe
Meistens mit Gästen, häufig mit ungewissem Ausgang, manchmal auch mit problematischen Inhalten werden in der NEUEN STADT Ideen und Denkweisen zur Diskussion gestellt, ohne den absoluten Wahrheitsanspruch zu erheben.
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