Sachzwang FM
Franz Kafka - Prokurist des Unbehagens
Sendetermin 21.05.2025 14:00 bis 16:00
111 Tage vergingen 1883 zwischen dem Tod von Karl Marx und der Geburt Franz Kafkas. Vor dem Rätsel der Gesellschaft standen sie beide, jeder auf seine Art. Es ließ sie nicht mehr los.
Der Grusel des Gewöhnlichen
Nicht viele Autoren bringen es zu Adjektiven, die ihnen (oder dem, wovon sie handeln) posthum angedeihen: freudianisch, marxistisch, kafkaesk. Doch den ganz Großen kann auch die kanonisierende Eingemeindung als „Weltliteratur“, als „Großdenker“, als Stadionrock oder Schullektüre nichts anhaben, nicht den Stachel nehmen, der doch ihre herausragende Stellung allein begründet. Die Neutralisierung gelingt nicht.
Die Welt als irre Spieluhr, als böses Uhrwerk
Kafka vollbringt es, fast ohne Mittel künstlerischer Verfremdung die Entfremdung des Subjekts der Moderne darzustellen, ja fühlbar werden zu lassen. Auffällig ist Kafkas Enthaltsamkeit gegenüber jeglichem Pathos. So nüchtern die Schilderungen, so klar der Verstand. Gar nicht klar aber die Welt da draußen. Doch ist sie nicht immer im Recht, die objektive Welt? Spinnt nicht immer nur das Individuum?
Die Sendung ist eine Collage aus mannigfaltigen Reflexionen:
– über Kafkas Schreiben (8 Minuten)
> Das Werk kaum eines Autors hat Theodor W. Adorno so innig mit dem Komplex der Dialektik der Aufklärung in Verbindung gebracht wie das Franz Kafkas. Und so entstand über zehn Jahre hinweg ein philosophischer Text, an dem Adorno sporadisch geschrieben und gegrübelt und gefeilt hat; und der schließlich die strenge Form eines Essays in neun Kapiteln auf über 30 Seiten angenommen hat. (in Auszügen; 48 Minuten)
– über Kafkas Zeit und Kafkas Leben (15 Minuten)
– über Verfremdung, Entfremdung und „Überfremdung“ (2 Minuten)
> Wie sollte man sich dem Werk Kafkas nähern, wo es sich doch sperrt gegen das systematische Objektivieren? Kafkas innere Welt, die in nahtloser Korrespondenz mit der äußeren sein Sujet darstellt, ist die eines Schlachtfelds, auf dem er unausgesetzt den Kampf gegen Entfremdung und Verdinglichung führt und die zahlreichen Widersprüche seiner Existenz verarbeitet, ohne daß er sich jemals von Entfremdung und Verdinglichung erfolgreich befreit hätte. Lesung von Marcus Hawel: „Die aufgeklärte Welt im Zeichen ihres Unheils. Verdinglichung im Werk Kafkas“ (34 Minuten)
– Schlußbetrachtungen (10 Minuten)
Eine Sendung vom Juni 2024.

Information zur Sendereihe
Der Sachzwang ist bloße Ideologie. Gleichzeitig ist er aber auch real. Ideologie "wird zur materiellen Gewalt, sobald sie die Massen ergreift", bemerkte schon Karl Marx. Und es gibt keinen Grund anzunehmen, daß dies nicht auch für die Kritik aller Ideologie gelten soll. Mit diesem Verhältnis von Subjektivem zu Objektivem ist gleichzeitig auch schon alles über das "Verhältnis von Theorie und Praxis" gesagt. Immer nur Radio hören! Immer nur lesen! Immer nur klug daherfaseln! Tu doch mal was! Von wegen ...
Wer sich mit (womöglich moralischer) Kritik an "Mißständen" begnügt, ohne der Struktur des selbstgenügsamen Systems von Sachzwängen auf den Grund zu gehen -- und damit gleichsam eine neue Welt zu entdecken, die doch die alte ist --, endet bestenfalls als sentimental appellierender Naivling; schlimmstenfalls wird jedoch, wer das Bestehende in dessen eigenen Kategorien "kritisiert", zum Teil jener konformistischen Revolte, die sich Faschismus nennt.
Eine Sendungsübernahme von Querfunk - Freies Radio Karlsruhe.
Dr. Indoktrinator (Querfunk)
Website: https://www.querfunk.de/sendungen/sachzwang-fm