aus den freien radios
Menschen im Staat, Menschen im Krieg: 1914–1918 | Inschriften von Gefangenen in Abschiebehaft und Polizeigewahrsam
Sendetermin 12.01.2015 07:30 bis 10:30P R O G R A M M P R O G N O S E :
7:30
Menschen im Staat, Menschen im Krieg: 1914–1918
Dr. Indoctrinator | Querfunk
"So gehn die Deutschen, die Deutschen gehen so!" hieß vor hundert Jahren: "Jeder Schuß ein Ruß, jeder Stoß ein Franzos, jeder Tritt ein Britt, jeder Klapps ein Japs!" und "Serbien muß sterbien!"
Sachzwang FM findet, daß nationaler Taumel und Erster Weltkrieg noch nicht ins Museum gehören, sondern ins Zentrum ätzendster Kritik – solange der Schoß, aus dem das kroch, noch fruchtbar ist. 2014 sieht ganz anders aus als 1914, farbig und demokratisch, unverkrampft, aufgeklärt und "weltoffen" irgendwie; und doch müssen Menschen arbeiten gehen und das auch noch wollen; sind Menschen stolz auf ihre Nation, wenn sie schon nichts anderes haben; sagen "wir", wenn sie den Staat meinen. Heute sei man ja so viel schlauer als die Vorfahren von vor hundert Jahren, "geläutert" gar? Was für ein Trugschluß, wenn man sich die Gegenwart genau beschaut, wo die Menschen der Gewalt ihrer Gesellschaft ebenso ratlos und ohnmächtig, begriffslos und affirmativ gegenüber stehen wie das geschundene Menschenmaterial von anno dazumal.
Während die Beschäftigung mit dem Ersten Weltkrieg (wie zunehmend auch mit dem Zweiten) längst zur unverbindlich-schaurigen Gruselübung in Feuilleton und Gemeinschaftskundeunterricht geworden ist, wird im Politikressort schon wieder Scharfmacherei betrieben: "marode" sei der Zustand der Armee, "nicht einsatzbereit" ihr Fuhrpark, es herrsche ein "Ausrüstungsnotstand"!
Zwei Beiträge, die der zu Schlafwandlerei und diplomatischen Machenschaften verharmlosten Menschenschlachterei des Ersten Weltkriegs zu beklemmender Präsenz verhelfen:
- Jost Hermand spürt der Geschichte chauvinistischer und "imperialistischer Stimmungsmache vor dem Ersten Weltkrieg" nach (Vortrag von 2014)
- Andreas Latzko zeichnet Bilder abgestumpfter, gebrochener und kaputter – "kriegsversehrter" – Menschen ("Der Kamerad", aus dem Buch "Menschen im Krieg", 1917)
Wir wünschen gute Unterhaltung und unerbauliche Verstörung bei dieser Übung in Wehrkraftzersetzung!
AUS TECHNISCHEN GRÜNDEN ENTFALLEN.
7:30
Inschriften von Gefangenen in Abschiebehaft und Polizeigewahrsam
Nachmittagsmagazin für subversive Unternehmungen | FSK
"Raus von hier" Ausstellung im "Klapperfeld", Frankfurt/Main: (Studiogespräch)
Inschriften von Gefangenen in Abschiebehaft und Polizeigewahrsam im Klapperfeld 1955–2002
Der zweite Stock des ehemaligen Polizeigewahrsams und Abschiebegefängnisses in der Klapperfeldstraße wird nun regelmäßig der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dort befinden sich 16 Einzel- und 2 Sammelzellen, in denen in den letzten Jahrzehnten der Nutzung des Gefängnisses bis zu seiner Schließung im Jahr 2002 überwiegend Abschiebegefangene inhaftiert waren. Diese Zellen sind in dem Zustand belassen, in dem sie sich befanden, als die Initiative »Faites votre jeu!« im Jahr 2009 das Gebäude als selbstverwaltetes Zentrum zu nutzen begann: Auf Türen, Wänden, Tischen und Stühlen sind Inschriften in über 30 Sprachen zu entdecken, welche die Inhaftierten in insgesamt fünf Jahrzehnten hier hinterlassen haben.
Den Besucher*innen stehen Broschüren mit über 1.000 Übersetzungen zur Verfügung, die seit Anfang 2013 von zahlreichen Helfer*innen zusammengetragen wurden. Zusätzlich vermitteln die Stimmen der Übersetzer*innen in einer Audioinstallation einen akustischen Zugang zu den Inschriften. In einem Ausstellungsraum sind einige Hintergrundinformationen zur Abschiebehaft im Klapperfeld zusammengetragen."
8:20-10:30 Musikprogramm wegen des Entfalls des ersten Beitrags.
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Information zur Sendereihe
eine subjektive auswahl von beiträgen, die in anderen freien radios entstanden sind, meist von freie-radios.net oder aus dem cultural broadcasting archive. teilweise mit frühstücksmusik. hin und wieder eigene beiträge.