Das wilde Denken – Kulturanthropologische Gespräche
Von den „Lasterburschen“ auf der „Seufzerallee“. Der Stadtpark als Treffpunkt homosexueller Männer. Mit Hans-Peter Weingand (WH)
Sendetermin 26.10.2015 06:30 bis 07:30Von den „Lasterburschen“ auf der „Seufzerallee“. Der Grazer Stadtpark als Treffpunkt homosexueller Männer. Mit Hans-Peter Weingand
Bis 1971 waren gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen in Österreich strafbar und die „Täter“ und „Täterinnen“ mussten im Fall einer Verhaftung nicht nur mit gesellschaftlichen Abstieg, sondern auch mit harten, teils körperlichen Disziplinierungsmaßnahmen rechnen. Die Orte der homosexuellen Partner_innensuche waren illegalisierte Räume und, im Sinne des Strafbestands, „Tatorte“. Der Grazer Stadtpark war einer dieser Räume. Von 1899 bis in die 90er Jahre des 20. Jh. lassen sich Fälle nachzeichnen, die den nächtlichen Stadtpark als zwielichtige Sphäre schildern, in der nicht nur, wie es hieß, „Unzucht wider der Natur“ betrieben wurde, sondern gleichfalls auch zahllose Übergriffe und Überfälle auf Homosexuelle stattfanden.
Hans-Peter Weingand hat sich in seiner Arbeit „’Wo sich die Schwulen trafen’. Der Grazer Stadtpark als Treffpunkt homosexueller Männer. Vom Tatort zum Erinnerungsort“ dieser Szene kulturhistorisch angenähert. Berücksichtigungen finden dabei verschiedenste Quellen, von Gerichtsakten, Zeitungen und belletristischen Quellen bis hin zu den seltenen Briefen, Tagebüchern und Zeitzeugenberichten der betroffenen selbst. Sichtbar wird ein Raum, mit Michel Foucault gesprochen eine Heterotopie, die erst mit der Digitalisierung und der Abwanderung der homosexuellen Partner_innensuche ins Internet sowie durch die immer weitreichendere Umsetzung des Sicherheitsparadigmas in den letzten 20 Jahren zusehends an Bedeutung verlor – und zu einem Erinnerungsort wurde.
Die musikalische Untermalung zu dieser Sendung: Songs mit queerem Inhalt aus den wilden 20ern.
Information zur Sendereihe
Die Kulturanthropologie erforscht kulturelle Prozesse mit einem Fokus auf die Perspektive der Akteurinnen und Akteure. Unter Kultur versteht sie „The whole way of life“, sie erforscht die Lebensweise von Menschen und ergründet Bedeutungen und Zusammenhänge.
In Das wilde Denken sprechen Ruth Eggel und Robin Klengel mit jungen Wissenschaftstreibenden vom Institut für Volkskunde und Kulturanthropologie der Uni Graz über ihre aktuelle Forschung. Diskutiert werden Kulturanalysen zwischen Facebook und Ich-AG, Swingerclub und Wartezimmer, Prekarisierung und Selbstverwirklichung.