dérive
Kairo: Informalität und Revolution
Sendetermin 02.08.2013 16:00 bis 16:30Sendung vom 6. März 2013
Diesmal gibt es eine derive-Ausgabe aus dem Archiv zu hören, die angesichts der 2. Revolutionswelle, die gerade in Kairo tobt nach wie vor aktuell ist.
Im Großraum Kairo leben rund 56 Prozent der Bevölkerung in so genannten ashwa’iyyat, wie die informellen Siedlungen in der ägyptischen Landessprache heißen. Viele ihrer Bewohner und Bewohnerinnen kämpften am Tahrir-Platz in Kairo für die Revolution in ihrem Land.
Das informelle Siedlungsphänomen in Ägypten lässt sich bis in die 1960er Jahre zurückverfolgen und ist eng mit den politischen Perioden unter den Präsidenten Nasser, Sadat und Mubarak verknüpft. Deren verfehlte Wohnbaupolitik führte dazu, dass in Kairo von den Ärmsten der Armen bis zur Mittelschicht geschätzte 11 Millionen Menschen in informellen Siedlungen leben. Seit Präsident Mubarak im Jahr 1996 das Bauen auf landwirtschaftlichem Gebiet als kriminellen Akt auswies, sind Zwangsräumungen per Gesetz legal. Der Staat begegnet dem informellen Siedlungsphänomen mit verschiedenen Top-Down-Plänen: Die von der Regierung beauftragte Studie „Cairo Vision 2050“ setzt auf eine groß angelegte Dezentralisierungsstrategie in weit entfernte Wüstenstädte bei gleichzeitiger Aufwertung des Zentrums. Zur selben Zeit wird versucht „informelle Siedlungen“ neu zu definieren, um als besonders gefährdet eingestufte Gebiete bis 2017 abzusiedeln.
Beim Recht auf Stadt Kongress in Hamburg 2011 hatte dérive die Gelegenheit Manal Tibe, Direktorin der NGO „Egyptian Center for Housing Rights“ (ECHR), zu ihrer – naturgemäß etwas anderen - Sicht auf das Phänomen der informellen Siedlungen in Ägypten zu interviewen. Die Menschenrechtsaktivistin kämpft seit 1998 für das Recht auf angemessenen Wohnraum für die benachteiligten Bevölkerungsschichten der ägyptischen Gesellschaft.
Sendungsinhalt: Feature - Elke Rauth und Daniel Spruth über Informelle Stadtentwicklung Kairo, Wörterbuch Stadt - Andreas Hofer über den Begriff Informelle Siedlungen, Geschichte der Urbanität - Manfred Russo über Revolutionären Raum
Redaktion und Sendungsgestaltung: Anne Erwand, Hanno Mayregger, Christoph Laimer, Bettina Köhler, Manfred Russo, Elke Rauth, Daniel Spruth
Signations: Bernhard Gal (http://www.bernhardgal.com)
Sendungsverantwortung: Anne Erwand
Weiterführende Informationen:
Egyptian Center for Housing Rights
Cairo from Below - Information and debate on the urban future of Cairo
Understanding Slums: The Case of Cairo, Egypt by David Sims from UN-Habitat Global Report 2003
Cairo 2050 Vision
Cairo: A city in transition, cities & citizens series. Bridging the urban divide by UN-Habitat
El-Batran, Manal; Arandel, Christian (1998): A shelter of their own: informal settlement expansion in Greater Cairo and government responses, Environment and Urbanization, Vol.10, No.1.
Khalifa, Marwa A. (2011): Redefining slums in Egypt: Unplanned versus unsafe areas, Habitat International - A Journal for the Study of Human Settlements, No.35, 40-49.
Fekade, Wubalem (2000): Deficits of formal urban land management and informal responses under rapid urban growth, an international perspective, Habitat International - A Journal for the Study of Human Settlements, No.24, 127-150.
Information zur Sendereihe
Der Verein dérive ist in Wien beheimatet und von jeglichen Institutionen unabhängig. Die Mitglieder der Redaktion von dérive – Radio für Stadtforschung arbeiten ehrenamtlich.
Die Stadt als Lebensraum nimmt weltweit eine immer bedeutendere Stellung ein. Seit einigen Jahren lebt erstmals die Mehrheit der Menschen in Städten. Der Stadtraum ist ein Ort der Verdichtung und deshalb der Platz, an dem sich gesellschaftspolitische Entwicklungen am deutlichsten und schnellsten zeigen. dérive – Radio für Stadtforschung bringt ausgehend von einem multiperspektivischen und interdisziplinären Ansatz Beiträge, die diesem Umstand Rechnung tragen und analysiert Aspekte dieser Entwicklung. Dabei geht es einerseits darum, einen genauen Blick auf diese oft ebenso spannenden wie problematischen Entwicklungen zu werfen, andererseits aber auch darum zu zeigen, wie lustvoll, bereichernd und anregend es sein kann, sich für den Lebensraum Stadt zu engagieren.
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